Hochverehrter Freund!

Zu Ihrem bevorstehenden 69sten Geburtstage sende ich Ihnen meine herzlichsten Grüsse und wärmsten Glückwünsche.² Möge Ihnen dieser Tag noch oft in voller geistiger und körperlicher Frische wiederkehren und Ihnen Gelegenheit geben, die ungeheuren Fortschritte der biologischen Wissenschaften zu überschauen, zu denen Sie durch Ihre epochemachenden Werke den ersten Anstoss gegeben haben.

Sie werden an diesem Tage das Album mit Photographien von einer Anzahl Ihrer deutschen Verehrer erhalten, von dessen Vorbereitung Sie leider schon vorzeitig durch die Zeitungen gehört hatten.³ Sie werden also nicht überrascht sein durch das Album selbst, vielleicht aber dadurch, dass die Zahl der Beitragenden nicht grösser und die Ausstattung nicht glänzender geworden ist. Zu unserem grossen Bedauern haben eine Anzahl von hervorragenden Naturforschern, welche zu Ihren Verehrern gehören, sich nicht am Album betheiligt. Namentlich fehlen manche Professoren, die ich gern in der Gesellschaft gesehen hätte. Immerhin werden Sie finden, dass Viele unserer bedeutendsten Männer Ihrer huldigen.⁴ Hier in Jena wird Ihr Geburtstag durch eine besondere Feier verherrlicht werden, welche ich mit meinen Schülern veranstaltet habe. Als Beilage sende ich Ihnen die gesammelten “Studien zur Gastraea-Theorie”, deren einzelne Theile Sie bereits besitzten.⁵

Am 24. Februar werde ich Jena verlassen und nach Triest (von dort wahrscheinlich nach Lesina) reisen, um 6–7 Wochen am Mittelmeer zu arbeiten (hauptsächlich über Medusen).⁶

Mit grösstem Vergnügen denke ich noch oft an den September-Besuch in Down zurück, den Ihre Güte mir erlaubte.⁷

Indem ich Sie bitte, Ihre liebe Familie freundlichst von mir zu grüssen, bleibe ich | mit unveränderlicher | Liebe und Verehrung | Ihr treu ergebener | Ernst Haeckel