Sehr geehrter Herr Darwin!

Meinen besten Dank für Ihren freundlichen Brief und sodann ganz besonders für die Übersendung Ihres neuen Buches “On the power of movement in plants”, welches ich mit von Seite zu Seite steigendem Interesse lese.² Ich habe es augenblicklich etwa zur Hälfte gelesen und muss bekennen, dass ich mich ungemein befriedigt fühle.

Wenn ich im Laufe dieses Sommers eine grössere Excursion in unsere Provinz mache, werde ich mich selbstverständlich nach Melastomaceen umsehen und Ihnen Samen senden.³ Ich beabsichtige, die Flora unser Provinz zu bearbeiten. Könnten Sie mir vielleicht sagen, ob ich die Pflanzen in Kew bestimmt bekommen kann, und an wen muss ich mich wenden, wenn dies geschehen kann? Martius’ “Flora brasiliensis” besitze ich nicht, und in der Bibliothek hier ist sie gleichfalls nicht zu haben.⁴

Im December werde ich einen Ausflug an unsere Meeresküste machen, namentlich um Polypen, Medusen und andere niedere Seethiere für mich und für Prof. Haeckel in Jena zu sammeln.⁵

Meine Hymenopteren und Dipteren werden, soweit wie möglich, von Herrn D^r. Schmiedeknecht in Deutschland bestimmt. Lepidopteren und Orthopteren weiss ich noch nicht unterzubringen.⁶ Herr Prof. D^r. H. v. Ihring, der auch in unserer Provinz ist, beschäftigt sich augenblicklich eifrig mit physiologischen Experimenten an Schlangen, namentlich mit der Prüfung auf ihre Giftigkeit. Er hat schon einige interessante Entdeckungen gemacht, über die der an den “Zoologischen Anzeiger” von Carus berichtet hat.⁷ Eine kleine Abhandlung über Stabheuschrecken (Phasmiden und Verwandte) werde ich in kurzer Zeit an die “Stettiner Entomologische Zeitung” einsenden.⁸ Das Untersuchungs- und Beobachtungs- Material ist in der That so reichlich und mannigfaltig, dass ich oft nicht weiss, wo ich zuerst anfangen soll.

Von Neujahr ab verliere ich nun leider ziemlich viele Zeit, da ich von dieser Zeit ab die Redaction einer hiesigen deutschen Zeitung übernehmen werde. Durch Correspondenz mit drei nord-amerikanischen Zeitungen aus Milwaukee wird mir ebenfalls viel Zeit genommen.⁹ Leider aber ist daran nichts zu ändern; denn meine Mittel erlauben mir nicht, ohne ein derartiges Amt ausschliesslich meinen Studien zu leben.

Da in der unmittelbaren Umgebung unserer Stadt eine grosse Menge dimorpher und trimorpher Pflanzen wächst, die ich aber meistens noch nicht genau kenne, so werde ich wol auch einmal Befruchtungsversuche an denselben anstellen. Im Auftrag der Meteorologischen Institutes in Leipzig bin ich eben dabei den Versuch zu machen, einige meteorologische Stationen in unserer Provinz ins Leben zu rufen.¹⁰ Auf der am l^ten October stattfindenden Deutsch-Brasilianischen Austellung sind einige sehr werthvolle Sammlungen, namentlich von Insecten, Fischen, Schlangen und Säugethier- Schädeln. Namentlich die letztere würde wegen ihrer Vollständigkeit eine Zierde jedes europäischen Museums sein. Es sollen die Schädel sämmtlicher Säugethiere der Provinz in derselben vorhanden sein. Ich werde s. Z. im Zoologischen Anzeiger Näheres darüber mittheilen.¹¹

Ihrem Herrn Sohn Francis gefällt es in Strasburg hoffentlich sehr gut.¹² Bitte grüssen Sie ihn von mir.

Mit bestem Gruss verbleibe ich Ihr | hochachtungsvoll ergebenster | D^r. Wilhelm Breitenbach

Porto Alegre. 9. Sept. 1881. | Rio Grande do Sul. | Brazil.