… In Ihren “Forms of flowers” sprechen Sie von Lagerstroemia als zweifelhaft verschiedengrifflig.² In meinem Garten habe ich einen Baum, dessen Blüten immer sechs lange Staubfäden haben mit grünlichem Pollen und ungefähr 30 kurze mit gelbem Pollen; der Griffel ist so lang wie die längeren Staubfäden und die Narbe berührt oft eine der Antheren. In früheren Jahren habe ich wiederholt Blumen mit grünem und andere mit gelbem Pollen von derselben Pflanze befruchtet, aber nicht eine hat Frucht angesetzt. Kürzlich sah ich in einigen Gärten eine zweite Varietät oder Art mit abweichend gefärbten Blumen, welche in der Veränderlichkeit der längeren Staubfäden vollkommen mit Ihrer Beschreibung der L. indica übereinstimmt.³ Der Griffel ist ungefähr so lang wie die längeren Staubfäden. Blumen der Pflanze in meinem Garten, welche mit grünem Pollen dieser zweiten Varietät befruchtet wurden, bringen jetzt gute Früchte hervor; vier Blumen, die mit gelbem Pollen befruchtet waren, fielen am dritten Tage nicht ab, wie sie es ohne Befruchtung gethan haben würden, sie liessen nur die Blumenblätter fallen wie diejenigen, die mit grünem Pollen befruchtet waren; einige Tage später sind sie aber abgefallen. In meinem Garten werden die Blumen von Lagerstroemia von verschiedenen Arten von Trigona und Melipona besucht,⁴ welche den Pollen sammeln und nach dem Benehmen mancher dieser Insecten vermuthe ich, dass die verschiedene Länge der Staubfäden und die verschiedene Farbe des Pollens der Pflanze nützlich sein wird, weil die pollensammelnden Insecten vorzugsweise durch den hellgelben Pollen angezogen werden, der wegen der Kürze der Staubfäden nicht leicht auf die Narbe einer anderen Blüte übertragen werden kann, während der Pollen der längeren Staubfäden, der sich in einer für die Uebertragung auf die Narbe anderer Blüten günstigen Stellung befindet, durch seine grünliche Farbe der Aufmerksamkeit der Insecten leicht entgehen kann. So dient ein Theil der Antheren dazu, die Insecten anzulocken, während der andere Theil die Kreuzbefruchtung sichert.

Eine unserer Pontederiaceen (Heteranthera reniformis) zeigt einen entsprechenden Fall.⁵ Sie hat zwei kurze Staubfäden, deren Antheren am Eingang der Blumenröhre stehen und hellgelben Pollen enthalten; der dritte Staubfaden ist lang und hat blassbläulichen Pollen; der Griffel ist mit seltener Ausnahme so lang wie dieser längere Staubfaden. Wenn die Blüte sich öffnet, so ist der Griffel nach rechts und der Staubfaden nach links gebogen, und beide bilden einen Winkel von ungefähr 60°; wenn die Blume zu welken beginnt, so biegen sich der Griffel und der Staubfaden gegeneinander, die Anthere berührt die Narbe, und es tritt Selbstbefruchtung ein. Bei mehreren Commelynaceen⁶ ist der Pollen der verschiedenen Antheren ebenfalls verschieden gefärbt, und man kann als allgemeine Regel feststellen, dass er weniger sichtbar bei denjenigen Antheren ist, von denen er am leichtesten auf die Narbe anderer Blüten übertragen werden kann.

Vor einigen Tagen erhielt ich von Dr. Mayer eine sehr interessante Abhandlung über die Metamorphose von Palaemonetes varians, der zur selben Zeit auch von J. E. V. Boas in Dänemark untersucht worden ist.⁷ Nun ist es äusserst merkwürdig, dass die Larven in Dänemark das Ei in einem viel weiter vorgerückten Zustande verlassen, als diejenigen in Süditalien. Bei den ersteren fehlen ausser anderen Unterschieden die Branchien am Thorax und den Abdominal-Füssen vollständig, während sie bei den letzteren vorhanden sind. Ich kann sagen, dass ich erwartete, es würden derartige Verschiedenheiten bestehen; auch Paul Mayer nahm dies an, ohne die Untersuchungen von Boas zu kennen.⁸

Mit der grössten Hochachtung u. s. w. | Fritz Müller.