[Enclosure 1]⁷

Mein Vater, der seit 8 Tagen hier ist, hat mir gesagt, dass er nichts dagegen habe, wenn ich für die Zoolog. Station das Geschenk annähme, das Sie u. Mr. Darwin mir zur Hilfe in meinen Schwierigkeiten angeboten haben.

Damit fällt für mich der wesentlichste Grund der bisherigen Ablehnung weg. Und da ich fürchten muss mit meinen Kräften und infolge dessen mit meinem gangen Unternahmen Schiffbruch zu leiden, falls mir nicht neue Hilfsquellen geöffnet werden, so habe ich mich entschlossen, auch meine persönliche Stellung zur Station zu veraendern, und all ihre Räumlichkeiten den Naturforschern zu überlassen, meine eigne Wohnung aber vorläufig im Palazzo Torlonia, später wohl noch weiter ausserhalb der Stadt zu nehmen.

Dadurch verliert die Station der Character des Privatbesitzes, und da es so wie so mein Plan war, sie dem Deutschen Reich in einigen Jahren zur Verwaltung und Erhaltung über mein Leben hinaus anzubieten, so habe ich auch nicht das Gefühl, Unrecht zu handeln, indem ich mich bemühe, für das Institut Geschenke zu erhalten.

Anderseits kann ich mich darüber nicht verblenden, dass ich selbst der Ruhe in solchem Maasse bedarf, dass die Fortsetzung der gegenwärtigen, überspannten und überarbeiteten, Existenz für mich unheilvolle Folgen haben muss. Und da Ruhe für mich eine reine Geldfrage geworden ist, (—der Kampf gegen den Fanatismus in Warschau habe ich und la belle Marie gründlich gewonnen,—)⁸ da ich durch Abtragung der in diesem und im nächsten Jahre fälligen Schulden die Station durch ihre eignen Einkünfte werde erhalten können, so wäre die eigentliche Schwierigkeit überwunden, falls diese Schulden,—1500£.— durch Aufbringung neuer Mittel gedeckt würden. Ich hoffe, das Deutsche Reich zu vermögen, eine Summe hierzu beizusteuern, und wenn Sie u. Mr. Darwin mir helfen, so würde es gelingen, die Station sofort rein wissenschaftlich zu verwalten.

Diess ist der Thatbestand, der ich nicht verheimlichen lässt. Ich theile ihn offen mit, da Sie wissen, wie sehr ich mich angestrengt habe, mit eigner Kraft die Schwierigkeiten zu überwinden. Ich könnte daran zu Grunde gehen, oder wenigstens die Sache zu Grunde gehen lassen,—aber ich will weder das Eine noch das Andre, da ich glaube dass ich noch manches Gute leisten kann.

Balfour u. Dew-Smith sind jetzt hier. Der Erstere scheint ein tüchtiger Mensch zu sein, der einen wahren Beruf zum Naturforscher hat, und den Funken besitzt, aus dem heraus was geschehen kann. Ich will das Meinige thun, Beiden hilfreich zu sein, um so mehr, als sie Beide mit grosser Liebenswürdigkeit ihre Hilfe in meinen bedrängten Umstaenden angeboten haben. An Material zur Bearbeitung fehlt es hier wahrlich nicht.

Wenn, Sie doch herkommen könnten!

Und nun noch Eins. Da ich nun doch einmal ein Geschenk für die Station annahmen muss, so will ich auch, dass es offen geschehe, und habe meinerseits keinen weitern Grund zur Verheimlichung   Was ich also von Ihnen u. Darwin erhalte, werde ich später als Geschenk der Englischen Naturforscher an die Zoologische Station öffentlich erwähnen. Es ist ja schliesslich doch nur der Station geschenkt,—anders würde es weder angeboten noch angenommen werden können.

Zugleich nehme ich den Gedanken wieder auf, eine oeffentliche Darlegung der gesammten Verwaltung des Institutes alljährlich zu geben, um dadurch zu der allgemeinsten Antheilnahme aufzufordern.

C. E. v Baer⁹ will im Sommer kommen, schrieb er mir neulich. Uebermorgen, 28. Febr., wird er 82 Jahr!

Und nun nehmen Sie den herzlichen Dank, dass ich mich so offen und frei an Sie wenden darf. Bald schreibe ich Weiteres. Etwas werden Sie mir gewiss helfen können.

Grüssen Sie die happy family! | Ihr treuer | Anton Dohrn

Das Aquarium hat bisher sehr viel geringere Einnahmen gehabt, als ich voraussetzen durfte. Das liegt daran, dass die Guidebooks keine Notiz enthalten und in den Hôtels Niemand auf das Aquarium aufmerksam macht. Ich hoffe durch Baedeker, Murray einwirken zu können, da Alle, die das Aquarium gesehen haben, es sehr schön finden.¹⁰ Dieser Ausfall in den Einnahmen hat alle Berechnungen vorderhand umgeworfen, und alle weitern Plaene vorläufig ⁠⟨⁠e⁠⟩⁠xistirt p.e. Dampfboot, Bücher ankäufe &.

[Enclosure 2]

Gestern schrieb ich Ihnen, lieber Professor Huxley, und heute fühle ich die Nöthigung, Ihnen wieder zu schreiben.

Ich weiss, dass ich vor dem Entweder-Oder stehe,—entweder man hilft mir durch eine bedeutende Geldsumme, oder die Station geht zu Grunde.

In dieser Alternative, die Sie begreifen werden, und die nicht besonders originell ist, gilt es indess noch einen dritten Ausgang, dass ich nämlich die Zoolog. Station aufgebe, aus dem Erlös der Summen, die in Mauern, Maschinen u. sonstigen Apparaten stecken, meine Schulden bezalle, und mit einer grossen Niederlage mich in irgend einen Winkel der Weld zurückziche, und tapfer an den wissenschaftlichen Aufgaben arbeite, die ich mir gestellt habe.

Ihnen zu sagen, dass ich den Muth habe, auch das zu thun und ruhig die Verurtheilung und das Ausgelacht werden der Welt zu ertragen, is der Grund dieser Zeilen.

In der klaren Einsicht dieser Möglichkeit, und in dem starken Verwerfen jeder blue devil’s Stimmung, die sich freilich fast alle Morgenmeiner zu bemächtigen strebt, sehe ich die Anzeichen dass meine Nerven zwar sehr belastet sind, aber doch nach so viel Widerstand leisten können, um das Aeusserste zu überstehen.

Diess musste ich Ihnen sagen,—und ich kann Ihnen auch hinzusetzen, dass la belle Marie nicht mit dem Auge zucken wird, wenn sie meine redusirte Existenz theilen müsste.

Haben Sie also kein Mitleid mit meiner persönlichen Lage; wenn Sie überzeugt sind, dass die Zoologische Station eines weitern Geldopfers werth sei, und wenn Sie glauben, mir so helfen zu können, dass die Schulden last, welche das Institut zu erstrecken droht, gehoben wird,—dann helfen Sie,—aber ich, Anton Dohrn, ich werde auch über den Sturz meines Unternehmens hinausleben und meinen Lebenszielen treu bleiben.

Glauben Sie mir das,—und schätzen Sie mich darum nicht geringer.

In treuer Freundschaft | Ihr | Anton Dohrn

26. Februar. 1874.