Hochgeehrter Herr!

Ihr gütiges Schreiben vom 7^t. und die Druckbogen empfing ich gestern und danke Ihnen für Beides auf das Herzlichste.² Ich habe Ihre Darstellung in einen Zuge durchgelesen und einen grossen Genuss davon gehabt. Wenn man sich eine Zeit hindurch mit den Lebensumständen einer, wenn auch sonst fernstehenden Person beschäftigt hat, so gewinnt man eine ähnliche Zuneigung und Sympathie für dieselbe, wie sie sonst aus persönlichem Umgange entsteht, und es macht uns eine rein menschliche Freude, immer mehr Einzelnheiten über dieselbe zu erfahren. Da ich annehme, dass es dem weniger interessirten Leser doch, wenn auch im minderen Grade, ähnlich gehen muss, so wäre ich sehr froh, wenn Sie Ihr Vorhaben einiges zu streichen, nicht ausführen wollten. Zwar weiss ich nicht, welche Stellen Sie mit den “trifling passages” meinen, allein ich kann Ihnen versichern, nichts gefunden zu haben, was man nicht in Deutschland mit Behagen lesen würde. Vor Allem wünschte ich, dass Sie dabei nicht an den Brief an Miss Mary Howard gedacht haben möchten; derselbe erscheint mir im höchsten Grade reizend.³

Zu meiner grossen Freude ist es nicht viel, was in den beiden Characterbildern doppelt vorkömmt, und ich glaube jetzt, wenn Sie aus meiner Schilderung alles dasjenige herausstreichen wollten, was Sie in der Einleitung bereits berührt haben, so könnten—durch die besondern Umstände ihrer Entstehung entschuldigt,—recht wohl die beiden biographischen Skizzen in demselben Bande nebeneinander gegeben werden. Die meinige giebt eine kurze Zusammenstellung des Hauptsächlichsten, was bereits veröffentlicht war, die Ihrige Zusätze aus noch nicht benutzten Quellen. Für das Ausland, Frankreich, Amerika, Deutschland würde meine zusammenfassende Lebenskizze kaum entbehrlich sein, und auch für England hätte sie vielleicht eine gewisse Berechtigung, sofern sie ein Zurückgehen auf das Buch von Miss Seward für den gewöhnlichen Leser entbehrlich macht, und so gewissermassen die älteren Biographieen ersetzt, indem sie deren Inhalt resumirt.⁴ Manche Wendung, wird dem englischen Leser allerdings sonderbar vorkommen, z.B. wenn ich andeute, wer Boulton, Edgeworth u.s.w. waren, allein man wird solcher Wendungen dem Ausländer verzeihen, denn für seine Landsleute und wahrscheinlich auch für Franzosen und Amerikaner dürften sie unerlässlich sein.⁵

Auch meine Polemik gegen Miss Seward scheint mir durch Ihre höchst nothwendigen Winke über dieselbe, nicht überflüssig gemacht worden zu sein.⁶ Denn soweit Sie Miss Seward discreditiren, könnte man entgegnen, es geschähe aus Pietät gegen den Grossvater, aber indem ich Walter Scott und andre unbetheiligte Personen in demselben Sinne urtheilend anführe, gewinnt dieses Urtheil eine grössere Objectivität. Sogar der dritte Abschnitt, über die humanitären Bestrebungen Erasmus Darwin’s scheint mir, wenn auch mit einigen Kürzungen nothwendig, falls Sie nicht vorziehen, ihn in die Präliminar-Notiz aufzunehmen, denn dem Ausländer dürfte es unentbehrlich sein z.B. zu erfahren, wie die Satire The loves of the triangles entstanden ist, und ebenso will mir die kleine Wasserfahrts-Anecdote, wegen der prächtigen Rede an die Arbeiter sehr mittheilenswerth erscheinen.⁷

Ich weiss, hochverehrter Herr, dass Sie mir es gewiss nicht übeldeuten, wenn ich Ihnen meine Auffassung der Sache ganz offen darlege, zumal ich Ihnen ja wiederholt versichert habe, dass ich mit jeder Anordnung, die Sie treffen, vollkommen einverstanden sein werde. Aber ich finde, dass Ihre Präliminar-Notiz gradezu einige weitere Nachrichten voraussetzt. So z.B. sagen Sie über Mrs. Pole gar nichts, und spielen z.B. auf die Wasserfahrt-Geschichte an, ohne Sie zu erzählen.⁸ Für England wäre das gerechtfertigt, für das Ausland nicht.

Ausserdem hätte ich einen ganz äusserlichen, so zusagen aesthetischen Grund, zu wünschen, dass mein Theil an dem Buche nicht gar zu klein, ich meine zu bogenarm, ausfalle. Es würde nicht gut aussehen, fürchte ich, wenn Ihre Einleitung von 150 Seiten, vor einem Buche von kaum 100 Seiten stünde. Aus diesem Grunde erscheint mir jede räumliche Vermehrung meines Antheils, die sich nicht als blosse Wiederholung darstellt, wünschenswerth. Die wirklichen Wiederholungen werden bereits in der jetztigen Gestalt, kaum mehr als 5–6 Druckseiten betragen, und liessen sich noch erheblich vermindern. Es ist auch nicht dieser Umstand, der besonders ins Gewicht fällt, sondern vielmehr der, dass die Lebensbeschreibung überhaupt zweimal anfängt. Allein, wenn Sie die Bemerkung im Eingange, über die gegenseitige Unbekanntschaft der Verfasser mit der Skizze des Andern stehen liessen, so würde diese Anomatie, glaube ich, von jedem Leser gebilligt und entschuldigt werden.⁹

Noch möchte ich mir die Frage erlauben, ob ich die corrigirten Druckbogen behalten darf, um sie der Uebersetzung zu Grunde zu legen, oder ob Sie dieselben noch gebrauchen? Im ersteren Falle würde ich Sie bitten, mir die Zusätze über den Ursprung Ihrer Familie gütigst in Abschrift senden zu wollen, im zweiten könnte ich vielleicht die Drucklegung abwarten, und würde dann Mr. Murraÿ bitten, mir jeden Bogen, so wie er fertig wird, zu senden.¹⁰

Ich muss noch einige Worte hinzusetzen über einen Artikel, den ich im letzten Hefte des Kosmos veröffentlicht habe, und der Ihnen vielleicht keinen guten Eindruck machen wird. Er betrifft das Buch des Mr. Grant Allen über den Farbensinn.¹¹ Der Verfasser erklärt darin, meine Artikel im Kosmos über die Gladstone-Geiger-Magnus’sche Theorie gelesen zu haben, erwähnt aber mit keiner Sÿlbe, dass ich seine gesammte Auffassung der Sache, schon ein paar Jahre früher dargelegt habe, ja im Gegentheil, er sucht den Schein zu erwecken, als ob diese Theorie in Deutschland fast angenommen wäre.¹² Dieses Verfahren empörte mich so sehr, dass ich gleich in der ersten Hitze jenen etwas heftigen Artikel schrieb, und sogleich drucken liess, obwohl ich jetzt Manches anders gesagt zu haben wünschte. Die Sache ist vielleicht des Lärmens nicht werth, aber ich hoffe, Sie sowohl als andre Leser, werden den von mir angeschlagenen Ton entschuldbar finden, wenn Sie erwägen, dass die gesammten Umrisse des Allen’schen Buches in jenen von ihm gekannten Artikeln gegeben waren, deren Inhalt er mit völligem Stillschweigen übergeht. Er hat sich dadurch einem Verdachte ausgesetzt, der niemals hätte ausgesprochen werden können, wenn er nur mit zwei Worten angedeutet hätte, dass in meinen Artikeln dieselben Ansichten dargelegt worden seien, wie in seinem Buche.

In der Hoffnung und mit dem herzlichen Wunsche, dass Sie sich trotz dieses abscheulichen Wetters wohl befinden mögen,¹³ zeichne ich hochverehrter Herr | Ihr | treulich ergebener | Ernst Krause