From Carl Hensgen1 23 July 1879
Leiden, Holland
23.7.79.
Hochgeehrter Herr!
Wenn ich mich mit einigen Zeilen an Sie wende so muss ich dies, sofern es einer Entschuldigung bedarf, vor Allem dem Einflusse, den die in Ihren Werken entwickelten Folgerungen und Ideen auf mich ausgeubt haben, zuschreiben; es sei daher verzeihlich sich an den Autor desselben gewandt zu haben.
Von Beruf Chemiker bin ich dadurch zugleich in der glücklichen Lage meinem Lieblingsstudium, den Naturwissenschaften, in einem Zweige thätig dienstbar sein zu können Immer bin ich mir aber auch des innigen Zusammenhangs aller naturwissenschaftlichen Disciplinen klar bewusst geblieben, deren angenommene Theilung ja lediglich dem so fördernden Principe der Arbeitstheilung entspringt.
Meine Mussestunden waren daher den verwandten Fächern, hauptsächlich der Botanik, Zoologie etc. zugewandt und es immer ein Wunsch von mir, auch auf jenen Gebieten, wenn auch in bescheidenem Maasse fördernd thätig sein zu können, ohne meine Arbeitskräfte und Zeit zum Schaden meiner hauptsächlichen Arbeiten zu zersplittern.
Ich suchte speciell nach einem Arbeitsfeld, das auf der Grenze der Chemie und Zoologie stehend unter hauptsächlicher Verwendung ersterer eine Untersuchung gestattete und von verschiedenen derartigen Thematas glaube ich durch nähere Verfolgung eines solchen keinen Missgriff gethan zu haben.
Die Arbeit mit der ich mich seit längerer Zeit beschäftige dürfte auch vielleicht Ihr Interesse erregen, als sie mir für die Lehre der Anpassung nicht ohne Erfolg sein dürfte.
Aus dem allgemeinen kurz gefassten Programm, das ich separat beilege wird Ihnen das Nähere klar werden über den von mir zu verfolgenden Zweck.
Als Arbeitsobjecte benutze ich die Helix pomatia, da mir diese leicht zugänglich und zugleich ein sehr zähes und elastisches Versuchsmaterial sind—2
Herr Professor Dr. Haeckel in Jena,3 den ich bereits im vorigen Jahre davon unterrichtete, antwortete mir gleichfalls in sehr günstigem Sinne und glaubt das die Verfolgung sicher interessante Resultate liefern werde. Nach vielseitigen Vorarbeiten, theils der Litteratur, Sammlung geeigneter Versuchsobjecte, sowie einer Anzahl chemischer Analysen, habe ich mich hiermit entschlossen auch Ihre mir so schätzenswerthe Meinung freundlichst einholen zu wollen. Wohl bewusst, dass wenige bisher erlangte Resultate nicht sofort zu verallgemeinern sind, sondern dass viele Versuchsreichen nöthig sind um eine allgemeine Schlussfolgerung auszusprechen, haben mich meine Vorarbeiten bis jetzt immer nur ermuthigen können fortzufahren, wozu auch eine gefällige Antwort Ihrerseits nicht unwesentlich beitragen würde. Schliesslich muss ich noch um Verzeihung bitten, dass ich mich in deutscher Sprache an Sie wende, die fehlende Uebung hätte jedoch, wenn ich englisch geschrieben, manches unklar erscheinen lassen, obwohl mir sonst das Englisch nicht unverständlich ist.
Mit Hochachtung | C. Hensgen | Assistent zur Zeit am Chemisch. Laboratorium d. Universitä⟨t⟩
[Enclosure]
Dispositionen
zu einer Arbeit
über die Möglichkeit der Substitution des Calciumcarbonates in den Molluskenschaalen durch seine ihm isomorphen rhomboëdrischen Carbonate, vorzüglich des Magnesiums4
Soweit die bisherigen Untersuchungen über die Zusammensetzung der Molluskenschaalen reichen, ergiebt sich:
A. Die Zusammensetzung ist vorwiegend anorganischer Natur, darunter herrschen die Carbonate vor und unter diesen das Calciumcarbonat.
B. Gleichzeitig ergeben die Resultate früherer Forscher sowie einer Reihe eigener Analysen, daß bei Thieren derselben Art das Verhältniß dieser Bestandtheile erheblich variirt und zwar:
1. sowohl das Verhältniß der organischen Substanz zu der anorganischen, als auch
2. in letzterer das Verhältniß des Kalkes zu den anderen mit ihm zusammen vorkommenden Metallen.5
Ein Zusammenhang dieser Erscheinungen mit der jeweiligen Bodenbeschaffenheit ist als sehr sicher anzunehmen.
Untersuchung.
I. Welchen Einfluss hat eine theilweise oder gänzliche Entziehung der Kalknahrung auf die Gehäusebildung
II. Sind die Thiere im Stande in Ermangelung des Kalkes andere Carbonate aufzunehmen und als Auscheidung bei dem Bau des Gehäuses zu verwenden.
Footnotes
Bibliography
Mitscherlich, Eilhard. 1819. Ueber die Krystallisation der Salze, in denen das Metall der Basis mit zwei Proportionen Sauerstoff verbunden ist. [Read 9 December 1819.] Abhandlungen der physikalischen Klasse der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften (1818–19): 427–37.
Rose, Gustav. 1858. Über die heteromorphen Zustände der kohlensauren Kalkerde. [Read 17 June 1858.] Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1858): 63–111.
Translation
From Carl Hensgen1 23 July 1879
Leiden, Holland
23.7.79.
Most esteemed Sir!
That I turn to you with a few lines I must ascribe above all, insofar as this requires an explanation, to the influence that the conclusions and ideas developed in your works have had on me; consequently it is pardonable to have turned to their author.
By profession a chemist, I am as a result also in the happy position to be able to serve actively my favourite pursuit, the sciences, in one specialism. However, I have also always remained clearly conscious of the intimate connection of all scientific disciplines, whose presumed division stems, of course, purely from the principle of the division of labour that so benefits science.
My leisure time has thus been spent on related subjects, mainly botany, zoology etc. and it has always been a wish of mine to contribute actively in those areas too, even if merely in a moderate degree, without fragmenting my capacity for work and my time to the detriment of my main occupation.
I was searching specifically for an area of research on the border between chemistry and zoology that would be accessible to study using chiefly the former, and from such varied topics, I believe I have not made a mistake in pursuing one further.
This labour, which has occupied me for quite some time now, might arouse your interest also, for it seems to me that it will not be without results for the theory of adaptation.
From the general briefly summarised proposal that I enclose separately the details of the goals I am pursuing will become clear.
For my experimental subject I use Helix pomatia, since I have easy access to them and at the same time because they constitute a very tough and elastic material for experimentation.2
Professor Haeckel in Jena,3 whom I already informed of this last year, likewise responded very positively and thinks that the pursuit of this inquiry is certain to yield interesting results. Following various kinds of groundwork, in part the literature, the collection of suitable experimental subjects, as well as a number of chemical analyses, I have hereby also decided to obtain your estimable opinion. Being well aware that the few results obtained so far cannot be generalised yet, rather that many series of experiments are needed for a general conclusion to be pronounced, my preparatory work could until now merely encourage me to carry on, added to which a positive response on your part would contribute in a not insignificant measure. Finally I must beg your pardon for approaching you in German, however, when I wrote in English my lack of experience made a number of points seem unclear, although otherwise my comprehension of English is not bad.
Respectfully | C. Hensgen | currently assistant at the Chemical Laboratory of the University
[Enclosure]
Plan
for research
on the possibility of substituting the calcium carbonates in the mollusc shell with isomorphic rhomboid carbonates, preferably of magnesium4
The analyses to date tell us the following about the composition of mollusc shells:
A. The composition is mainly inorganic in nature, largely consisting of carbonates and among these calcium carbonate.
B. At the same time the results of previous researchers as well as a series of my own analyses show that in animals of the same kind the ratio of these components varies considerably, namely:
1. both the ratio of organic to inorganic matter, as well as
2. in the latter the ratio of chalk to other metals found with it.5
A correlation between this phenomenon and the composition of the respective soil can be assumed as very certain.
Investigation.
I. What is the impact of a partial or complete withdrawal of calcareous nutrients on shell formation
II. Are the animals, in the absence of chalk, capable of absorbing other carbonates and using them as secretion for the construction of the shell.
Footnotes
Bibliography
Mitscherlich, Eilhard. 1819. Ueber die Krystallisation der Salze, in denen das Metall der Basis mit zwei Proportionen Sauerstoff verbunden ist. [Read 9 December 1819.] Abhandlungen der physikalischen Klasse der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften (1818–19): 427–37.
Rose, Gustav. 1858. Über die heteromorphen Zustände der kohlensauren Kalkerde. [Read 17 June 1858.] Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1858): 63–111.
Summary
CH, a chemist interested in zoology, asks CD’s opinion of research programme described on enclosed memorandum. Programme involves investigation of ability of molluscs to build shells out of other carbon compounds in absence of calcium carbonate.
Letter details
- Letter no.
- DCP-LETT-12169
- From
- Carl Hensgen
- To
- Charles Robert Darwin
- Sent from
- Leiden
- Source of text
- DAR 166: 147
- Physical description
- ALS 4pp (German), encl Amem 3pp (German), trans 3pp
Please cite as
Darwin Correspondence Project, “Letter no. 12169,” accessed on 24 April 2024, https://www.darwinproject.ac.uk/letter/?docId=letters/DCP-LETT-12169.xml